Bandwagon-Effekt im Marketing
Der Bandwagon-Effekt, auch bekannt als Mitläufereffekt, ist eine kognitive Verzerrung, die sich auf das Verhalten von Menschen auswirkt: Bei der Entscheidungsfindung wird häufig diejenige Option gewählt, für die sich bereits andere entschieden haben. Erstmals wurde dieser Effekt 1944 von Wahlforschern beschrieben. Der Bandwagon-Effekt funktioniert allerdings auch in der Verkaufspsychologie und hat dementsprechend auch Bedeutung für Marketing und Sales.
Wie funktioniert der Bandwagon-Effekt?
Entdeckt wurde der Bandwagon-Effekt nicht bei der Marktforschung oder im Marketing, sondern im Rahmen US-amerikanischer Wahlforschung. Die drei Wahlforscher P. F. Lazarsfeld, B. Berelson und H. Gaudet gewannen aus ihren Untersuchungsdaten folgende interessante Erkenntnis: Menschen neigen bei Wahlen dazu, sich dem Verhalten einer vermeintlichen Mehrheit anzuschließen, wenn der prognostizierte Gewinner bekannt ist. Solche eine Vorabinformation zum voraussichtlichen Gewinner kann dabei zum Beispiel Wahlumfragen entstammen, die kurze Zeit vor Stimmabgabe veröffentlicht wurden.
Der Effekt beschreibt die Tatsache, dass Menschen dazu neigen, dem Beispiel anderer zu folgen, ohne dabei auf eigene Ansichten zu achten. Diesen Umstand bemerkt man bei politischen Wahlen genauso wie in der Marktforschung. Der Bandwagon-Effekt führt somit dazu, dass die ohnehin schon populäre Option noch mehr Zustimmung erfährt.
Der „Bandwagon“ steht im englischen für die „erfolgreiche Seite“ beziehungsweise die „erfolgreiche Partei“. „To climb on the bandwagon“ beschreibt den Prozess, wenn sich jemand einer erfolgversprechenden Sache anschließt, also zum Mitläufer wird.
Aus diesem Sprachbild leitet sich der Name des Bandwagon-Effekts ab, der oft auch als Mitläufereffekt bezeichnet wird. Eine gute Erklärung für den Bandwagon-Effekt liefert die psychologische Handlungstheorie: Ein wahrgenommener Erfolg (z. B. der Besitz eines attraktiven Produkts, das den Status hebt) steigert die Bereitschaft anderer Konsumenten, die als erfolgreich wahrgenommene Handlung ebenfalls zu vollführen – als Teil des „Bandwagons“ kaufen sie dann das Produkt, das ihres Wissens auch andere kaufen.
Höchst spannend sind dabei die gegensätzlichen Gründe für den Kauf. Während die „Leader“ die Produkte kaufen, um sich zu differenzieren und sich abzuheben, also um nicht dazuzugehören, kaufen „Follower“ das Produkt gerade, um zu einer bestimmten Gruppe dazuzugehören. Erklären lässt sich der Effekt auch mit dem generellen Wunsch von Menschen, Recht zu haben. Entscheidet man sich für die populärste Option, erscheint die Wahrscheinlichkeit höher, die richtige Wahl getroffen zu haben.
Durch die rasanten Entwicklungen im Bereich Social Media haben das Prinzip von Leader und Follower und der Bandwagon-Effekt natürlich eine noch größere Bedeutung für das Marketing erlangt, als sie ohnehin schon hatten. In den sozialen Medien ist das Prinzip des Folgens bereits im Konzept mit angelegt. Diese Tatsache erklärt auch den Erfolg von Influencer-Marketing.
Die Praxis: Beispiele für den Bandwagon-Effekt
Mit Verzerrungen wie dem Bandwagon-Effekt haben Menschen nahezu täglich zu tun: beim Einkaufen, bei Abstimmungen oder im Urlaubsverhalten. Nur selten wird uns aber bewusst, dass wir unter dem Einfluss einer kognitiven Verzerrung stehen. Dies ist auch logisch und folgerichtig, denn bei kognitiven Prozessen laufen zahlreiche Entscheidungen unbewusst ab. Beide Bezeichnungen, sowohl Bandwagon-Effekt als auch Mitläufereffekt, beschreiben das Prinzip des sogenannten „imitativen Konsums“ sehr anschaulich. Imitativer Konsum ist zu beobachten, wenn die Nachfrage nach einem bestimmten Produkt steigt, weil sich die Nachfragenden anderen Konsumenten anschließen, die das Produkt bereits zuvor gekauft haben.
Die Buch- oder Musikbranchen arbeiten beispielsweise stark mit dem Bandwagon-Effekt: Charts und Verkaufszahlen werden dabei genutzt, um den Absatz von Bestsellern zusätzlich zu steigern. Sichtbar wird die Ausnutzung des Effekts zum Beispiel in Aufklebern oder Aufdrucken, welche die Popularität eines Produkts betonen. Konsumenten greifen dann eher zu dem Buch oder der CD, die ohnehin schon von vielen gekauft wurde.
Für werbetreibende Unternehmen ist der Mitläufereffekt also höchst interessant! Entsprechend spielt der Bandwagon-Effekt für Strategie und Planung im Marketing oft eine große Rolle.
Welche Rolle spielt der Bandwagon-Effekt im Marketing
Weil der Bandwagon-Effekt so relevant ist, sollte er sowohl beim Aufbau einer Marke als auch bei fortlaufenden Kampagnen berücksichtigt werden. Im Online-Marketing nehmen Bewertungen von Produkten, Services und Webseiten dabei die Schlüsselrolle ein. Richtig eingesetzt verringert der Bandwagon-Effekt beispielsweise Absprungraten und erhöht Konversionsraten.
Der Bandwagon-Effekt beruht darauf, dass Menschen häufig erfolgs- und statusorientiert handeln. Das hängt damit zusammen, dass das Streben nach Status und dem Aufstieg in einer Hierarchie uralte evolutionäre Programme sind, denen wir auch heute noch folgen. Die meisten Verbraucher orientieren sich daher stets am Konsumniveau einer anderen Gruppe. Die „andere Gruppe“ ist dabei entweder die eigene soziale Schicht oder eine hierarchisch höhergestellte Schicht.
Der positive Nebeneffekt für das Marketing? Die höhere Bedeutung dieser „Präferenzpolitik“ kann dafür sorgen, dass der Preis als Verkaufsargument an Bedeutung verliert. Mit der richtigen Argumentation kann also ein höherer Preis erzielt werden. Die Marketing-Botschaften sollten bei Bandwagon-geeigneten Produkten somit primär an das Statusdenken appellieren, um Nachfrage und Verkauf anzukurbeln. Weitere kognitive Verzerrungen wie der Endownment-Effekt und die Verlustaversion können und sollten dabei zur Verstärkung ebenfalls genutzt werden. Sie können beispielsweise auf Faktoren wie Besitzerstolz (z. B. durch Probefahrt) und mögliche Verlustvermeidung (z. B. Prestigeverlust durch Nicht-Kauf) ausgerichtet sein.
Doch der Bandwagon-Effekt hat nicht nur positive Effekte für Unternehmen, denn B2B-Einkäufer und Marketer können ihm ebenfalls erliegen. Dann orientiert man sich hinsichtlich seiner Marketingausrichtung vor allem an dem Marktführer oder setzt beim Wareneinkauf ebenfalls auf die vermeintlich Erfolgreichsten. Wer allerdings um dem Mitläufereffekt weiß, kann seine Entscheidungen unter Berücksichtigung von Marktanalysen gezielt hinterfragen bzw. überprüfen. So lassen sich unter Umständen innovative und lukrative Marktnischen schneller aufzuspüren, da man nicht immer „blind“ dem Bandwagon hinterherläuft.
Sie wollen sich noch weitere kognitive Verzerrungen im Marketing zu Nutze machen. Es gibt die verschiedensten Effekte, durch die Konsumenten unbewusst zu Kaufentscheidungen gebracht werden: den IKEA-Effekt, Ankereffekt, Confirmation Bias, Survivorship Bias, Decoy-Effek, Halo-Effekt, Hindsight Bias oder den Selection Bias.