Dynamic Pricing: Was ist das eigentlich?
Autofahrer kennen es zur Genüge: Der Spritpreis an der Tankstelle ändert sich mehrfach täglich, manchmal sogar während man tankt – nur ein prominentes Beispiel für „Dynamic Pricing“, zu Deutsch: „dynamische Preisgestaltung“. Dahinter verbirgt sich ein Werkzeug, das so alt ist wie der Handel selbst. Dynamische – also bewegliche und flexibel an die jeweilige Marktsituation anpassbare – Preise dienen dazu, den Absatz von Produkten und Dienstleistungen zu steuern.
Dynamisches Preismanagement ist vor allem im Onlinehandel auf dem Vormarsch, aber auch bei Flug-, Reise- und Hotelpreisen seit Langem etabliert. Faktoren wie Auslastung, Saison, Uhrzeit sowie der Blick auf die Konkurrenz beeinflussen hier beispielsweise den Preis. Auch im klassischen Einzelhandel ersetzen digitale Displays an den Regalen mehr und mehr die herkömmlichen Preisschilder und ermöglichen auch dort eine einfach handhabbare und weitgehend automatisierte Preisgestaltung.
Wie funktioniert Dynamic Pricing?
Für Dynamic Pricing gibt es viele weitere Beispiele aus dem Alltag: Liegt das Obst im Supermarktregal schon etwas länger, wird es meist günstiger verkauft. Wenn der Spritpreis pünktlich zu den Ferien anzieht und der Strandkorb bei Schmuddelwetter günstiger zu haben ist, dann verdanken wir auch dies flexibel angepassten Preisen. Wann immer (Stamm-)Kunden einen Rabatt bekommen, handelt es sich um eine dynamische Preisanpassung. So manches Skigebiet lockt bei schlechtem Wetter mit Rabatten – und in den USA variieren zuweilen sogar Ticketpreise, z. B. für Sport-Events, je nach Wetter, Spieltag, Siegchancen oder Attraktivität einer Partie.
Zum Großteil handelt es sich dabei um etablierte Modelle, mit denen fast jeder täglich in Berührung kommt. Sie alle haben dies gemeinsam: Die Preise ändern sich im Zeitverlauf, orientiert am Wettbewerb oder aufgrund strategischer Erwägungen und Faktoren, die sich nach Ermessen des jeweiligen Händlers eignen, um den Gewinn zu maximieren oder die Kundenbindung zu verbessern – im besten Fall gleich beides.
Die Strategien sind sehr vielfältig, die Ziele zumeist nicht: Außer zur Gewinnmaximierung nutzen Anbieter dynamische Preise vor allem zur Kundenbindung – z. B. in Form von Rabattaktionen. Hat der Kunde das Gefühl, einen guten Deal zu machen, steigt schließlich die Chance, dass er wiederkommt.
Dynamic Pricing und Big Data
Dank der Digitalisierung eröffnen sich auch für das Dynamic Pricing erheblich größere Möglichkeiten. "Big Data" heißt das Zauberwort – und dank Data-Driven Marketing sind vollautomatische Analysen in Echtzeit kein Problem.
Im E-Commerce basiert dynamisches Preismanagement oft auf Algorithmen, die Kundendaten auswerten. Schließlich stehen den großen Onlinehändlern Datensätze von Millionen von Kunden zur Verfügung – eine sehr wertvolle Ressource, auf die die Analyseprogramme zurückgreifen. Zusammen mit aktuellen Marktereignissen bilden diese Daten die Grundlage, um Preise entweder mit wenigen Klicks oder automatisiert an Angebot und Nachfrage anzupassen – auf breiter Front, auf Zielgruppen zugeschnitten oder sogar auf jeden einzelnen Kunden abgestimmt. Auch dabei greifen ganz verschiedene Strategien. Die Algorithmen selbst bleiben dabei üblicherweise ein gut gehütetes – weil erfolgskritisches – Geheimnis.
Dynamic Pricing: Beispiele
Anhand der Verkaufszahlen lässt sich beispielsweise ablesen, welche Produkte gerade beliebt sind und bevorzugt gekauft werden. Je nach Strategie steigt dann womöglich auch der Preis, um den Gewinn zu maximieren. Im Hintergrund steht dabei stets die Frage: Wie hoch ist die Preisbereitschaft des Kunden zum jeweiligen Zeitpunkt? Big Data liefert Anhaltspunkte, aus denen sich Antworten auf diese Frage ableiten lassen.
Ein anderer Ansatz: Ein aktuell beliebtes Produkt wird im Preis reduziert, um die Konkurrenz zu unterbieten, damit die Kunden dieses dann beim günstigeren Anbieter kaufen. Nicht selten werden zeitgleich Zubehörteile angeboten und (teils deutlich) dynamisch verteuert. Ist der Kunde bereits im Kaufprozess und macht sein Schnäppchen, stehen die Chancen gut, dass er ein dynamisch verteuertes Zubehörteil gleich mit kauft. Sein Anreiz, sich vorher nochmals bei der Konkurrenz umzusehen, die ja bereits das Produkt, das ihn in erster Line interessiert, zu einem höheren Preis anbietet, ist dann womöglich nur gering.
Im Idealfall verkauft der Anbieter also dank gezieltem dynamischen Preismanagement mehr Produkte und vergrößert durch einen Verkauf von dynamisch verteuertem Zubehör zusätzlichen den Gewinn. Der Kunde hat jedoch das Gefühl, ein Schnäppchen zu machen (meist ist das insgesamt auch so), was der Kundenbindung zugutekommt.
Was sind personalisierte Preise?
Zuweilen variieren sogar die Preise von Kunde zu Kunde, denn auch aus den Gewohnheiten, Interessen, demografischen Daten und Verhaltensmustern jedes Onlinekunden lassen sich wertvolle Rückschlüsse ziehen. Ein personalisierter Preis bedeutet: Verschiedene Kunden, die sich zur selben Zeit das gleiche Produkt ansehen, bekommen dieses jeweils zu einem eigenen, auf sie zugeschnittenen Preis angeboten. Dieser soll ihre maximale Preisbereitschaft zum jeweiligen Zeitpunkt bestmöglich ausschöpfen. Im Hintergrund dieser dynamischen Preisgestaltung wirken abermals die Mechanismen datengetriebenen Marketings.
Ein denkbares Szenario: Wer mit einem hochpreisigen Smartphone mobil surft, könnte allein deshalb beim Onlineshopping einen höheren Preis für Produkte angezeigt bekommen. Ein entsprechendes Analysetool könnte Besitzer eines hochpreisigen Geräts grundsätzlich als zahlungskräftiger einstufen. Kauften diese zuvor bereits hochpreisige Produkte, könnte das die Tendenz bestärken und zu höheren personalisierten Preisen führen.
Freie Preisgestaltung: Hersteller und Händler sind in der Preisgestaltung grundsätzlich frei und dürfen Mitbewerber auch unterbieten. Dies zählt zu den Grundpfeilern der Marktwirtschaft. Es gelten wenige gesetzliche Ausnahmen, etwa die Buchpreisbindung. Auch dynamisch angepasste Preise bis hin zu individualisierten Preisen sind grundsätzlich erlaubt.
Lässt sich Dynamic Pricing umgehen?
Dynamisches Preismanagement kommt in fast allen Bereichen des Handels vor. Häufig lassen sich die beweglichen Preise nicht umgehen – z. B. dann, wenn saisonale Automatismen greifen und etwa in der Vorweihnachtszeit die Preise steigen und anschließend wieder fallen. In vielen Fällen profitieren wir aber auch von beweglichen Preisen – z. B. beim Stammkundenrabatt oder im Fall des eingangs erwähnten Strandkorbs, der bei schlechtem Wetter günstiger zu haben ist. Dynamische Preise können also durchaus kundenfreundlich ausgestaltet sein.
Wenn wir bei den großen Online-Einzelhändlern wie Amazon einkaufen, führt am Dynamic Pricing kein Weg vorbei. Allerdings gibt es ein paar Tricks, um Preisspitzen im E-Commerce möglicherweise aus dem Weg zu gehen. Das Problem dabei: Wie genau die Algorithmen arbeiten, bleibt größtenteils im Dunklen. Die hier aufgeführten Tipps beruhen deshalb auf Beobachtungen und Indizien. Je nach Ausgestaltung und Anpassung der Algorithmen kann demnach auch der Erfolg variieren.
Tageszeit
Achten Sie beim Onlineshopping auf die Tageszeit. Am Wochenende oder abends, wenn viele Kunden shoppen, können die Preise deutlich steigen. Sind unter der Woche tagsüber weniger Kunden da, können die Preise drastisch fallen. Oft variieren diese auch von Wochentag zu Wochentag.
Anbieter vergleichen
Vergleichen Sie die Preise verschiedener Anbieter. Preisvergleichsportale sind hierzu eine bequeme Anlaufstelle, haben jedoch mitunter Mühe, Schritt zu halten, wenn die Anbieter ihre Preise zu dynamisch – sprich: zu oft oder zu schnell – verändern. Wenn Sie über ein Preisvergleichsportal zum Händler navigieren, erhalten Sie aber womöglich dennoch einen günstigeren individualisierten Preis – schließlich will der Händler im Vergleichsportal möglichst weit oben ranken und muss den dort gelisteten Preis ggf. entsprechend niedriger ansetzen.
Gutscheine
Elektronische Gutscheine bzw. Gutschein-Codes locken damit, den Kaufpreis für Produkte und Dienstleistungen teils deutlich zu reduzieren. Gelegentlich finden sich derartige Rabatte durch Eingabe des Produkt- oder Herstellernamens und des Wortes „Gutschein“ in die Suchmaschine. Lösen Sie einen solchen Gutschein beim jeweiligen Onlinehändler ein, reduziert sich auch der dynamisch generierte Preis entsprechend. Wer derartige Gutscheine über Drittanbieter bezieht, zahlt dafür jedoch üblicherweise, indem er seine Daten hinterlässt. Es gilt also stets, das Für und Wider abzuwägen.
Beobachten
Beobachten Sie den Preis eines Produkts über mehrere Stunden, Tage oder sogar Wochen – die Unterschiede sind teils erheblich. Bitten Sie einen Freund oder Bekannten, sich das gleiche Produkt anzeigen zu lassen, um Preisunterschiede aufgrund individualisierter Preise zu erkennen. Gegebenenfalls können Sie sich dann absprechen, wer das jeweilige Produkt günstiger bekommt.
Doch Vorsicht: Kauft eine dritte Person online für Sie ein oder kaufen Sie etwas für jemanden, beeinflusst das die Datenbasis. Kaufen Sie hochpreisige Produkte für eine andere Person, stuft ein Algorithmus Sie womöglich als preisbereiter ein, als sie sind. Das könnte sich daraufhin in höheren individualisierten Preisen für Produkte und Dienstleistungen äußern, die Ihnen beim Onlineshopping angeboten werden.
Jeder Kauf generiert Daten, die die Onlinehändler nutzen können (und wahrscheinlich nutzen werden), um auch in Zukunft individuelle Preise für ihre Kunden zu generieren. Wie die Händler – bzw. deren eingesetzte Algorithmen – diese und andere Daten werten und interpretieren, kann sich jedoch stark unterscheiden. Je nach Interpretation und Validität der Annahmen, die jeweils zugrunde liegen, stimmen die Ergebnisse besser oder schlechter mit der Realität des jeweiligen Kunden überein. Generell sollten Sie abwägen, wie viel Sie für ein Produkt zu zahlen bereit sind und welche Daten Sie dem jeweiligen Händler überlassen wollen.