Gamification: Spielelemente zur Steigerung des Unternehmenserfolgs
Unternehmen, die mit Druck und Strafe versuchen, ihre Mitarbeiter zu besseren Leistungen zu motivieren, setzen auf veraltete Systeme. Viel effizienter ist es, Spielprinzipien in den Unternehmensalltag zu integrieren, um Mitarbeiter zu motivieren. Und auch die Neukundengewinnung und Kundenbindung profitieren von etwas mehr Spiel. Der Fachbegriff dieser Methode: Gamification.
Wir erklären, in welchen Bereichen Gamification einsetzbar ist und worauf bei entsprechenden Maßnahmen zu achten ist. Und damit deutlich wird, dass dies Konzept durchaus schon in einigen Betrieben zielführend eingesetzt wird, stellen wir zum Abschluss einige erfolgreiche Praxisbeispiele bekannter Unternehmen vor.
Was ist Gamification? Eine Definition
Der Begriff Gamification leitet sich vom Englischen Begriff „game“ für Spiel ab. Im Deutschen werden relativ häufig auch die Bezeichnungen Gamifizierung oder Gamifikation verwendet. Sehr viel seltener ist von Spielifizierung die Rede.
Gemeint ist immer dasselbe:
Gamification bezeichnet die Anwendung von typischen Spielelementen in einem spielfremden Kontext.
Menschen haben das angeborene Bedürfnis, zu lernen, ihr Können zu verbessern und sich im Wettkampf mit anderen zu messen. Spiele greifen diese Bedürfnisse auf: Mit Mechanismen wie Rätseln, dem Aufsteigen von Leveln bzw. Schwierigkeitsgraden und Auszeichnungen motivieren sie die Nutzer, am Ball zu bleiben und sich in eine Aufgabe zu vertiefen.
Wer solche Spielprinzipien in einem spielfremden Kontext einsetzt, kann aber ebenfalls die Motivation von Menschen zur Problemlösung erhöhen, ihre Ausdauer verbessern und gewünschtes Verhalten steuern.
Gamifizierung kann somit als monoton und langweilig empfundene Aufgaben interessanter gestalten und motivieren, sich dauerhaft auch mit schwierigen Problemen zu beschäftigen.
Einsatzbereiche: In welchen Bereichen lässt sich Gamification nutzen?
Gamification lässt sich in ganz unterschiedlichen Kontexten einsetzen, zum Beispiel in Unternehmen, in der Forschung, der (Weiter-)Bildung oder im Crowdfunding.
Da der Spieltrieb prinzipiell Menschen jeden Alters innewohnt (selbst, wenn er manchmal verschüttet ist), lassen sich über ihn sowohl junge als auch ältere Zielgruppen ansprechen.
Der Nutzen von Gamifizierung im Unternehmenskontext
Die Faszination am Spiel lässt sich von Unternehmen intern nutzen, um die eigenen Mitarbeiter zu motivieren (interne Gamification), und extern einsetzen, um neue Kunden zu gewinnen und diese an sich zu binden (externe Gamification).
Mögliche Einsatzbereiche im Unternehmen:
- im Qualitätsmanagement zur Verbesserung der Datenqualität
- im Recruiting, um das Können von Bewerbern zu testen und eine Vorauswahl zu treffen
- im Vertrieb, um die Abschlussquote durch internen Wettbewerb (Rankings, Auszeichnungen etc.) zu erhöhen
- im Gesundheitsmanagement, um beispielsweise durch Lauf-Challenges die Fitness der Mitarbeiter zu verbessern
- In der Mitarbeiterfortbildung, um den Lerneffekt zu verbessern
- In der Produktentwicklung, um die Kundenbindung zu erhöhen
- Im Marketing (zum Beispiel auf Websites und in Apps), um Neukunden zu gewinnen
Wie muss Gamification gestaltet sein?
Es gibt unzählige Arten von Spielen und folglich ganz unterschiedliche Formen von Gamification. Einige Elemente bilden jedoch die Basis für jedes Spiel und müssen daher auch Bestandteil jeder Gamification-Maßnahme sein, wenn Unternehmen die positiven Effekte des Spielerischen nutzen wollen.
Nachvollziehbare transparente Regeln
Wer bei „Mensch ärgere dich nicht“ eine Sechs würfelt, der darf seine Figur aus der Startposition ins Feld setzen. Wer keine Sechs würfelt, der muss warten. Jedes Spiel, ob Brettspiel oder Multiplayer-Onlinegame, braucht klare Regeln, die jedem Spieler vorab bekannt sind. Das gilt auch für Gamifizierung im Unternehmenskontext. Beispiel: Wer nicht weiß, wie viele Punkte er für sein Engagement auf der internen Testplattform bekommt und welche Belohnung bei welchem Punktestand auf ihn wartet, der wird sich weniger anstrengen als derjenige, der die Punkte bis zum Gewinn des neuen Tablets zählen kann.
Realistische Herausforderungen
Jedes Spiel beinhaltet eine Aufgabe, die zu lösen ist. Die Herausforderung sollte allerdings nicht zu einfach zu meistern sein, sonst ist der Spielspaß schnell vorbei. Sie darf aber auch nicht zu schwierig gestaltet sein, damit die Spieler bzw. Mitarbeiter nicht demotiviert aufgeben. Denn damit wäre der Zweck von Gamification verfehlt, schließlich soll dieses Prinzip zu einer intensiveren, motivierten Beschäftigung führen.
Direktes Feedback
Die Aktivitäten des Spielers sollten zu einer unmittelbaren Rückmeldung führen, sodass er sich verbessern kann und anhand von positivem und negativem Feedback lernt. Ein Spiel, in dem der Anwender im Dunkeln tappt, ob sein Handeln ihn näher ans Ziel bringt oder nicht, verliert schnell seinen Reiz. Fortschrittsbalken, Badges und Punktesysteme sind Beispiele für ein direktes Feedback.
Anerkennung für erreichte Ziele
Wer eine Aufgabe in einem Spiel bewältigt hat, muss dafür eine Belohnung erhalten – sei es, dass ein neues Level freigeschaltet wird, er einen materiellen Gewinn erhält oder ihm neue Inhalte zur Verfügung stehen. Die Aussicht auf Belohnung setzt den Anreiz, regelmäßig zum Spiel zurückzukehren. Jede Gamification braucht den Aspekt der Belohnung – insbesondere, wenn es darum geht, die Nutzer regelmäßig zur Interaktion zu bewegen.
Ansprechende Geschichte
Über den Erfolg eines Spiels entscheidet zu einem großen Teil seine Geschichte, die Welt und Handlung, in die der Spieler eintaucht. Das gilt für Onlinegames wie „World of Warcraft“ und Brettspiele-Klassiker wie „Die Siedler von Catan” und genauso für die Gamification in der Arbeitswelt.
Mitspieler
Obwohl es Alleinspiele gibt, sind Mitspieler ein wesentlicher Faktor für die Faszination am Spiel. Sie können als Konkurrenten im Wettbewerb oder als Teammitglieder fungieren. Im Unternehmenskontext können Kunden gegen andere Kunden antreten oder Mitarbeiter in Teams um Auszeichnungen wetteifern.
Gamification ist nicht an digitale Plattformen gebunden. Obwohl spielerische Maßnahmen häufig Websites oder Apps nutzen, ist Gamification auch in Offline-Varianten umsetzbar (beispielsweise über Bonusprogramme o.ä.).
Entstehungsgeschichte
Gamification kam als Strategie für den Unternehmenskontext erst Anfang der 2000er-Jahre auf. Als Erfinder des Begriffs gilt der Programmierer und Autor Nick Pelling, der ihn 2002 geprägt haben soll.
Die Idee, spielerische Elemente zu nutzen, um Kunden zu gewinnen oder zu binden und Mitarbeiter zu motivieren, ist aber deutlich älter.
Bereits in den 1960er-Jahren arbeiteten psychiatrische Kliniken mit einer sogenannten Token Economy, einem systematischen Belohnungssystem, in dem Patienten für gewünschtes Verhalten Chips erhielten, die sie später gegen bestimmte Prämien eintauschen konnten. Seit den 1990er-Jahren arbeiten Fluggesellschaften mit Bonusmeilenprogrammen und seit Jahrzehnten setzen Supermärkte auf Treueprogramme. Selbst die Auszeichnung „Mitarbeiter des Monats“ lässt sich als spielerischer Wettkampf zur Motivationssteigerung und damit als Gamification verstehen.
Fand Gamification früher analog und nach einem einfachen Belohnungsschema statt, sind die heutigen Varianten in der Regel digital und die Spielerfahrungen ausgeklügelter.
Teilweise können physische und digitale Welt auch ineinandergreifen – zum Beispiel, wenn die App „Zombies Run“ beim Lauftraining motiviert oder eine App wie „EpicWin“ das Abarbeiten der täglichen Aufgaben mit einem digitalen Rollenspiel verknüpft.
Gamifizierung ist nicht mit Glücksspiel zu verwechseln: Der Erfolg beim Spiel ist nicht von Glück, sondern in der Regel vom eigenen Können und von Ausdauer oder Beharrlichkeit abhängig.
Gamification: Beispiele der erfolgreichen Umsetzung in Unternehmen
Große Konzerne wie Microsoft, IBM, SAP und Deloitte gehörten zu den Vorreitern der Gamification-Bewegung. Mittlerweile nutzen immer mehr Unternehmen spielerische Elemente – auch in Deutschland. Hier einige Erfolgsbeispiele von Gamifizierungs-Maßnahmen:
Beispiel Deutsche Bahn
Die Deutschen Bahn hat auf ihrer Website ein ICE Race veröffentlicht, bei dem Spieler im ICE-Simulator Gegenstände und dadurch Punkte sammeln können. Das Onlinespiel ist Teil einer Kampagne, die Jugendliche auf die Karriereperspektiven bei der Deutschen Bahn aufmerksam machen soll. Wer sich mit seiner E-Mailadresse registriert, kann eine Fahrt in einem echten ICE-Simulator gewinnen.
Beispiel SAP
Das IT-Unternehmen SAP nutzt Gamification in diversen Bereichen. Zum Beispiel entwickelte es ein digitales Golfspiel, mit dem Aufträge per virtuellem Golfschlag zwischen Abteilungen hin und her gespielt werden können. So simpel das Spiel auch war, die Durchlaufzeiten verkürzten sich deutlich. Ein bekanntes und nach außen sichtbares Beispiel für Gamification im Haus SAP ist die SAP Community (SCN). Dort sammeln Mitglieder Punkte, wenn sie Fragen von Anwendern beantworten, und sie erhalten Auszeichnungen, sobald sie ein bestimmtes Punktelevel erreichen. Diese Auszeichnungen motivieren die Mitglieder – nicht zuletzt auch deswegen, weil SAP unter den Top-Beitragenden regelmäßig neue Mitarbeiter rekrutiert.
Beispiel Hugendubel
Die Buchhandelskette Hugendubel ließ 2017 im Rahmen der Kampagne Bookbuster mehrere Spiele für ihre mobile App entwickeln. Eines dieser Spiele war ein einfaches Buch-Memory, ein anderes ein Buch-Quiz. Ein drittes Spiel war ein Kreuzworträtsel, für dessen Lösung die Spieler die Antworten in bestimmten Büchern nachschlagen mussten. Die App wies in diesem Zusammenhang auf die nächstgelegene Hugendubel-Filiale hin, wo Spieler die notwendigen Bücher finden konnten. Das Unternehmen erhöhte auf diese Weise die Filialbesuche. Bei jedem Spiel konnten Nutzer außerdem Bücher gewinnen. 2018 wiederholte Hugendubel die Aktion und integrierte ein Augmented-Reality-Spiel, das nur in den Filialen gespielt werden konnte.
Beispiel Bayer
Der Chemie- und Pharmakonzern Bayer veröffentlichte eine mobile Quiz-App. Bei „Bayercareer” traten zwei Spieler in einem Quiz zur Geschichte und zu Tätigkeitsfeldern des Unternehmens gegeneinander an. Auf diese Weise konnten Bewerber sich spielerisch mit dem Konzern vertraut machen und auch Mitarbeiter ihr Wissen auffrischen.
Beispiel University of Washington u.a.
Die University of Washington bietet gemeinsam mit der Northeastern University, der Vanderbilt University und der University of California (Davis) über das Portal „foldit” kostenlose Puzzles an. Dabei falten Nutzer lange Aminosäureketten zu virtuellen Proteinen. Je besser sie falten, desto mehr Punkte erhalten sie. Auf spielerische Weise werden die Nutzer somit mit naturwissenschaftlichen Themen vertraut.
Die Zukunft der Gamification
Das Marktforschungsinstitut Gartner prognostizierte 2012, dass 2015 bereits 40 Prozent der 1.000 weltweit größten Unternehmen Gamification intern einsetzen würden, um die Produktivität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen. Eine neuere Studie zur Verbreitung wurde bisher allerdings nicht veröffentlicht.
Überhaupt ist die wissenschaftliche Forschungslage zur Wirksamkeit von Gamification-Maßnahmen insgesamt relativ dünn. In einer Studie für das Bundesministerium für Bildung und Forschung wurde Gamification dennoch als ein prägender gesellschaftlicher Trend bis 2030 bezeichnet.
Und tatsächlich lässt sich in der Unternehmenspraxis eine zunehmende Nutzung von Gamifizierung zu beobachten. Und dass sich dieser Trend umkehrt, ist nicht zu erwarten. Angesichts der seit Jahren steigenden Umsätze in der Gaming-Branche und der wachsenden Zahl an Führungskräften, die selbst mit Computerspielen aufgewachsen sind, kann man vielmehr davon ausgehen, dass Gamification im Unternehmenskontext künftig eine noch größere Rolle spielen wird.