IKEA-Effekt: Warum Ihre Produkte von DIY-Elementen profitieren

Sie möchten Ihren Kunden die Handhabung Ihres Produkts so einfach wie möglich machen? Nicht immer ist das die beste Idee. Der Erfolg von IKEA beruht zum großen Teil darauf, dass Kunden selbst aktiv werden und ihren Schrank, ihr Regal, ihren Tisch selbst aufbauen müssen.

Was bewirkt der IKEA-Effekt für die Kundenbindung ganz konkret? Und wie können Unternehmen in anderen Branchen ihn für sich anwenden? Doch es sei schon einmal gewarnt: Ungeschickt umgesetzt, provozieren Sie damit eher den Unmut von Kunden statt ihnen Freude zu bereiten.

IKEA-Effekt: Definition und Hintergrund

Definition

Der IKEA-Effekt besagt, dass Menschen für selbst hergestellte Produkte eine höhere Wertschätzung empfinden als für vergleichbare nutzfertige Produkte.

Der Begriff „IKEA-Effekt“ wurde von den US-Forschern Michael I. Norton, Daniel Mochon und Dan Ariely geprägt. Sie führten 2011 eine Studie durch, in der sie Probanden IKEA-Aufbewahrungsboxen zusammenbauen ließen. Dabei stellten sie fest, dass die Probanden am Ende bereit waren, ein Vielfaches des Preises für die selbstmontierte Box zu zahlen, den die Vergleichsgruppe für die fertige Box als angemessen angegeben hatte. Die Arbeit, die die Probanden in den Zusammenbau investiert hatten, wirkte sich positiv auf ihre Wertschätzung für das Produkt aus.

Die Forscher wiederholten die Studie mit weiteren Objekten wie Origami-Figuren und einfachen Bausätzen. Die Ergebnisse wurden jedes Mal bestätigt. Für die selbstgebastelten Origami-Figuren hätten die Probanden im Verhältnis zur Vergleichsgruppe den fünffachen Preis bezahlt.

Die Individualisierung des Produkts spielte keine Rolle. Der Effekt trat ein, selbst wenn Probanden ein einfaches Standardmodell nach Anleitung anfertigten. Es war auch irrelevant, ob die Teilnehmer grundsätzlich eine Vorliebe für DIY hatten oder handwerkliche Tätigkeiten sonst eher mieden.

Hinweis

Norton, Mochon und Ariely konnten belegen, dass der IKEA-Effekt in seiner Stärke klar über den reinen Endowment-Effekt hinausgeht. Die Wertschätzung erhöht sich nicht allein deswegen, weil der Proband bereits in Besitz des Produkts war. Der Herstellungsprozess als solcher ist entscheidend für die höhere Wertschätzung.

Was verursacht den IKEA-Effekt?

Warum mögen Menschen ihre selbstgemachten Kreationen lieber als perfekte, aber fertige Objekte?

Norton und seine Kollegen weisen darauf hin, dass die DIY-Komponente das tiefverankerte Bedürfnis des Menschen nach Selbstwirksamkeit anspricht. Menschen zögen demnach Befriedigung aus dem Gefühl, selbst Einfluss auf ihre Umwelt nehmen zu können, etwa indem sie Objekte und Besitz gestalteten. Dies wurde in diversen Studien nachgewiesen, z. B. von Russel Belk (1988), Lita Furby (1991) und Helga Dittmar (1992).

Fakt

Der IKEA-Effekt tritt nur ein, wenn das Objekt erfolgreich zusammengebaut wurde. Wenn das Bauen nach Anleitung scheitert, so stellten Norton et al. fest, erhöht sich die Wertschätzung für das Produkt nicht.

Andere Ansätze heben auf die erlebte Kompetenz ab: Eine Herausforderung erfolgreich gemeistert zu haben und das Ergebnis vor sich zu sehen, bewirke die höhere Wertschätzung. Wieder andere gehen davon aus, dass sich Eigenkreationen auf das Selbstkonzept auswirken und der Effekt so zu erklären ist.

Herausforderungen für das Marketing

Unternehmen, die den IKEA-Effekt für sich nutzen wollen, stehen vor der Herausforderung, Kunden davon zu überzeugen, sich für eine DIY-Version des Produkts zu entscheiden. Denn was viele Unternehmen übersehen: Der Effekt tritt erst nach dem Kauf ein.

Vor dem Kauf neigen Menschen dazu, sich gegen die Mehrarbeit zu entscheiden: 92 Prozent der Versuchsteilnehmer gaben in einer Studie von Norton und Kollegen an, dass sie für fertig zusammengebaute Produkte mehr zahlen würden als für DIY-Produkte. Erst nach dem Zusammenbau waren sie dann doch bereit, Premium-Preise für die DIY-Objekte zu zahlen.

Mit welchen Strategien können Unternehmen DIY vor dem Kauf attraktiv machen? Zwei traditionelle Wege haben sich bewährt: auf eine schnellere Lieferung verweisen und Individualisierungsmöglichkeiten anbieten.

Ein unkonventioneller Weg für den stationären Handel: Bieten Sie Ihren potenziellen Kunden Kaffee an. Gibbs und Drolet fanden heraus, dass ein höheres Energielevel die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich Menschen für ein Kauferlebnis entscheiden, das mit Aufwand verbunden ist. In ihrem Versuch waren die Kunden bereit, Originalversionen mit Untertitel zu sehen statt Filme in ihrer Muttersprache.

Unternehmen sollten immer darauf achten, dass der DIY-Part nicht zu anspruchsvoll ist, sondern für alle Kunden gut zu bewältigen ist. Denn sonst führt dies nicht zu inniger Produktliebe, sondern zu Ärger und Frustration.

Beispiele für IKEA-Effekt im Marketing

Obwohl der Effekt erst 2011 einen Namen erhielt, war er Marketern schon seit vielen Jahrzehnten bekannt und wurde regelmäßig eingesetzt.

In den 1950er-Jahren brachte ein US-Hersteller die ersten Backmischungen auf den Markt. Obwohl sie den Backvorgang drastisch verkürzten, fanden die Produkte zur damaligen Zeit keinen Anklang. Erst als das Unternehmen die Rezeptur änderte, sodass man noch ein Ei hinzufügen musste, fanden die Mischungen reißenden Absatz. Sicher haben verschiedene Faktoren zu diesem Erfolg beigetragen, doch das Gefühl, etwas Mühe in den eigenen Kuchen gesteckt zu haben, dürfte zweifellos eine Rolle gespielt haben.

Mittlerweile hat sich das Verhältnis von Unternehmen zu Kunden verändert. Statt als passiver Konsument wird der Kunde zunehmend als Co-Entwickler eines Produkts betrachtet. Unternehmen, die ihre Kunden auf kreative Weise in die Produktgestaltung miteinbeziehen und sich den IKEA-Effekt zunutze machen, finden sich überall – online wie offline.

  • Sneaker: Kunden können online ihre Schuhe farblich individuell gestalten.
  • Schokoladenhersteller: Kunden können Eigenkreationen bestellen.
  • Teddybären: Kinder können einen Teddy nach Wunsch ausstatten.
  • Urlaub: Anbieter von „Ferien auf dem Land“ verlangen Premium-Preise dafür, dass die Gäste im Stall und auf den Feldern mithelfen.

Obwohl hier nicht das standardisierte Fertigstellen nach Anleitung, sondern vor allem die Individualisierung des Produkts eine Rolle spielt, wirkt am Ende ebenfalls der IKEA-Effekt. Er verstärkt die positive Beziehung zum Produkt und zur Marke.

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