So revolutionieren Chatbots das Onlinemarketing

Onlinebots sind überall: Apple nutzt sie, Facebook hat große Pläne mit ihnen und Microsoft hat sich damit schon mal mächtig vertan. Die Entwicklung von Chatbots und deren Einsatz in der Kommunikation mit „echten Menschen“ beschäftigt die Global Player der Onlinewelt schon seit Jahren. Mittlerweile sind einige Projekte spruchreif und lassen erste Resümees zu. Doch auch für kleinere Unternehmen stecken in der neuen Kommunikationstechnologie Chancen. Wir klären auf und geben einen Überblick über die Einsatzgebiete und Zukunftsprognosen von Chatbots.

Was sind Chatbots?

Der Begriff „Chatbot“ ist für viele noch immer erklärungsbedürftig. Ein Chatbot, auch „Chatterbot“ oder nur „Bot“ genannt, ist laut offizieller Definition ein textbasiertes Dialogsystem. Chatbots verfügen über Ein- und Ausgabemasken, über die sie in natürlicher Sprache kommunizieren. Sie simulieren im Grunde einen realen Ansprechpartner.

In der Praxis sieht der Nutzer eine Benutzeroberfläche, über die der Bot automatisch Antworten gibt, wenn man mit ihm kommuniziert. Die Systeme sind heute immer öfter an einen Nachrichtendienst oder die Spracherkennung von mobilen Endgeräten gekoppelt (z. B. Siri bei Apple). Der Bot agiert dabei wie eine natürliche Person und soll möglichst authentische Antworten geben, um den Anschein eines realen Konversationspartners zu erwecken.

Wie funktioniert ein Chatbot?

Die Basis für jedes Chatbot-Programm ist die Datenbank. Denn bei jeder Anfrage greift der Bot auf seine Datenbank zurück, dort sind Antworten und Erkennungsmuster hinterlegt. Je größer und ausführlicher die Datenbank ist, desto größer ist auch die Wissensbasis.

Das System zerlegt die gestellten Fragen in ihre Einzelteile, bevor es jedes davon nach vorgefertigten Regeln verarbeitet. Moderne Chatbots erkennen Fehler in der Interpunktion, Grammatik oder Rechtschreibung und korrigieren diese, bis im nächsten Schritt die Frage beantwortet wird. Dies erfolgt mithilfe fester Muster. Die Verarbeitung geschieht meist über Macros oder eingebaute Skriptsprachen und Schnittstellen.

Wofür brauchen Nutzer Chatbots?

Eine App fürs Wetter, eine weitere für den Carsharing-Service oder das Taxi: Mittlerweile hat der Smartphone-Nutzer für jedes Informations- oder Servicebedürfnis eine App, die ihm hilft. All die Informationen, die er über verschiedenste Apps bezieht, könnten in Zukunft mithilfe von Onlinebots gebündelt geliefert werden – via Messenger. Indem man Chatbots in Messaging-Dienste integriert, schafft man den idealen Ansatz, um den Nutzer zentral zu erreichen.

Statt in die Wetter-App zu klicken, fragen Nutzer künftig ganz einfach über WhatsApp den Wetter-Bot „Brauche ich heute einen Regenschirm?“ und bekommen eine Antwort. Über die gleiche Oberfläche kann man theoretisch auch alle weiteren Dienste umsetzen, die bisher über Apps oder den mobilen Browser zur Verfügung standen. Für die Big Player in der Onlinekommunikation wie Facebook liegt hier eine große Chance – denn sie wollen ihre Nutzer natürlich auf ihrer Plattform halten und nicht an den Wetterdienst verlieren. Wenn Nutzer innerhalb des Facebook-Messengers alle relevanten Infos finden, gibt es für sie keinen Grund mehr zu wechseln.

Hier können Sie die Infografik über die Chatbot-Nutzung herunterladen.

Eliza: Die Urgroßmutter der Chatbots

Der erste Chatbot entstand schon in den 60er-Jahren. Der deutsch-amerikanische Informatiker Joseph Weizenbaum entwickelte das Programm „Eliza“, um die Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Mensch und PC in natürlicher Sprache zu demonstrieren. Das lokale Programm ohne Internetzugang fungierte als eine Art virtuelle Psychotherapeutin. Das damals Überraschende: Im Chat mit ausgewählten Testpersonen gab Eliza so authentische Antworten, dass die Patienten glaubten, mit einer echten Ärztin zu sprechen. Dieses Phänomen nennt man heute darum auch den „Eliza-Effekt“. In den Jahrzehnten danach haben sich Chatbots weiterentwickelt. Es zeigte sich: Je mehr Zeit Chatbots in Interaktion verbracht haben und daraus lernen konnte und je mehr zusätzliche Informationen man ihnen zur Verfügung stellte, desto authentischere und präzisere Antworten gaben sie.

Chatbots im Kundenservice

Chatbots setzt man schon seit einiger Zeit im Kundenservice ein, um eine schnellere, unmittelbare Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Klassisch läuft Kundenservice über Telefon oder E-Mail. Doch beim Callcenter ist die eingeschränkte Erreichbarkeit und beim Mail-Service die Verzögerung bei Antworten zum Problem geworden. Das liegt an den veränderten Erwartungen der Nutzer. Denn Antworten auf Anfragen wollen viele heutzutage möglichst in Echtzeit und nicht erst Stunden oder Tage später bekommen.

In den letzten Jahren setzen deshalb mehr und mehr Unternehmen Chatbots auf der eigenen Unternehmens-Website ein. Über ein kleines Chatfenster im Browser können Website-Besucher einem vermeintlichen Mitarbeiter des Kundenservices Fragen stellen. Dahinter steckt jedoch kein Mensch, sondern ein Programm. Die Chatbots treten als Berater auf und beantworten Anfragen zu Produkten oder Leistungen des Unternehmens. Die entsprechenden Informationen bzw. FAQs wurden vorab in der Datenbank hinterlegt. So ist es vielen Unternehmen gelungen, Wartezeiten zu verkürzen und gleichzeitig die Supportkosten zu verringern.

Marketing-Chance: Chatbots im Messenger

Mittlerweile haben Marketer erkannt, dass es einen besseren Ort als die eigene Homepage gibt, um Onlinebots und Nutzer zusammenzubringen: Chat-Apps oder Messaging-Dienste. Vorreiter in dieser Hinsicht ist Kik. Der Instant-Messaging-Dienst ist zwar in Deutschland weniger bekannt, zählt aber in den USA und Asien Millionen von Nutzern. Laut Umfragen nutzen allein in den USA 40 Prozent der Teenager Kik. Vor Kurzem hat Kik seine Bot-Plattform für Unternehmen eröffnet. Firmen können dort eigene Chatbots in die Kommunikation mit Nutzern schicken. Die Bots agieren dabei als Vertreter der Marken. Wenn User ihnen schreiben und Fragen stellen, antworten sie in der Regel mit Produktinfos oder Tipps. Manche Bots können auch Witze erzählen oder einfache Unterhaltungen simulieren. Vom Chatbot der Video-Plattform Vine bekommen Nutzer auf Nachfrage passende Filmchen zum jeweiligen Stichwort geschickt. Der Wetter-Bot sagt Regen voraus, ein anderer Bot gibt Schminktipps. Laut Angaben von Kik haben während der ersten Woche nach Aktivierung der Chatbots 1,5 Millionen Nutzer einer Marke den Kontakt autorisiert. Die Intension dahinter: Aus „leblosen“ Marken eigenständige Charaktere machen. Indem man eine Unterhaltung ermöglicht, sollen Nutzer die Marke als Freund wahrnehmen. Die Onlinebots sollen unterhalten und informieren. Gleichzeitig bietet sich hier eine Plattform, über die Marketer Kunden unbemerkt manipulieren können. Bisher können Bots von Kik noch nicht eigenständig lernen, geplant ist es jedoch. Ein Negativbeispiel für dieses eigenständige Lernen von der Community hat Microsoft geliefert.

So nicht: Microsoft und der rassistische Chatbot „Tay“

Anfang des Jahres 2016 startete Microsoft mit Tay, einem Chatbot mit künstlicher Intelligenz („artificial intelligence chat“) ein Experiment, u. a. auf Twitter – und ist damit gehörig gescheitert. Die Konversations-Software sollte via Interaktion mit anderen Twitter-Usern ihr Wissen erweitern, dazulernen – klüger werden. Durch Texte und Fragen sollte der Bot so trainiert werden, dass er in der Kommunikation mit anderen wie ein 14- bis 18-Jähriger wirkt. Stattdessen entwickelte sich der lernfähige Chat-Roboter in weniger als 24 Stunden zum absoluten Alptraum für Microsoft: Tay gab rassistische, hetzerische Parolen von sich, lernte Schimpfwörter und solidarisierte sich sogar mit Adolf Hitler. Tay hatte sich die falschen Referenzpersonen mit falschen Werten als Vorbild genommen – Internet-Trolle hatten durch bewusste Manipulation ihren Teil dazu beigetragen. Microsoft stoppte das Projekt und löschte viele Tweets. Was dieses Beispiel zeigt: Selbstlernende Software ist leicht zu beeinflussen. Vor allem wenn die Lernphase nicht in einem geschlossenen System stattfindet. Kik plant eine von Mitarbeitern autorisierte Lernphase. In der ersten Zeit sollen Angestellte des Unternehmens mit Kunden kommunizieren – der Chatbot soll dabei beobachten und aus den Konversationen lernen, bis er ein natürliches Gespräch möglichst perfekt simuliert.

Chatbots im Facebook-Messenger

Mit einem Marktanteil von ca. 86 Prozent ist Facebook mit Abstand die stärkste Social-Media-Seite weltweit. Schon lange haben Marketer das Potenzial des Kanals erkannt, Facebook ist für viele Unternehmen Kern ihrer Social-Media-Marketing-Strategie. Auch den Facebook-Messenger will man künftig im großen Stil fürs Onlinemarketing einsetzen.

Klicken Sie hier, um die Infografik der Marktanteile von Social Media Seiten nach Seitenabrufen herunterzuladen. Neue Chatbot-APIs (Schnittstellen) und die damit verbundene Automatisierung des Messagings sollen es Unternehmen künftig erleichtern, Kunden über den Chat zu erreichen und dort direkt Umsatz zu generieren. Die Bots sollen dabei nicht nur in Textform kommunizieren, sondern auch Bilder und Beschreibungen von Produkten anzeigen sowie den Kunden ermöglichen, Reservierungen und Einkäufe über den Facebook-Messenger zu tätigen. Einige Unternehmen haben bereits den Schritt in den Messenger gewagt und stellen dort Kundendienst, Liveticker oder Bestellservice bereit. Drei Beispiele, wie Unternehmen schon jetzt den Facebook-Messenger für Marketing-Zwecke nutzen:

KLM: Boarding-Pass und Updates via Messenger

KLM gehört zu den ersten festen Partnern von Facebook in Sachen Messenger-Marketing. Bereits 2015 hat die Airline ihr „Business on Messenger“ veröffentlicht. Bisher diente der Facebook-Chat Gästen der Fluglinie als Kundendienst, in Planung ist, künftig noch weitere Servicefunktionen anzubieten. Mit dem bisherigen Service kann man Bordkarten im Chat ablegen und über den Messenger Check-in-Erinnerung, Flugänderungen und Verspätungserinnerungen empfangen. Die Live-Chat-Funktion gibt Kunden die Möglichkeit, Fragen und Anträge direkt zu adressieren.

Uber: Fahrdienst per Nachricht bestellen

In Deutschland konnte sich der Onlinevermittler für Fahrdienstleistungen vor allem wegen juristischer Hürden nicht etablieren, aber in den USA ist Uber weit verbreitet. Kunden können seit dem Jahreswechsel 2015/16 auch über den Facebook-Messenger Fahrten buchen. Der Service ist unabhängig von der Uber-App nutzbar. Die Buchungsfunktion ist auch innerhalb von Unterhaltungen von zwei oder mehreren Nutzern verfügbar. Ankunftszeit und voraussichtliche Fahrtkosten zeigt das Programm direkt im Chat an.

Bild.de: News- und Liveticker für Fußballfans

Beim Bot von Bild.de handelt es sich um keinen klassischen Chatbot, der mit Kunden interagiert. Bild zeigt eine weitere ideale Nutzungsmöglichkeit des Messengers: den Liveticker. Das Angebot richtet sich an Sportfans, vor allem Bundesliga-Begeisterte. In Sachen Fußball ist Bild.de eine beliebte Informationsquelle, dank guter Kontakte der Redaktion sind Transfergerüchte meist zuerst auf Bild.de zu lesen. Diesen Mehrwert transportiert Bild jetzt auch über den Messenger. Wer dem Bild-Ticker via Facebook eine Nachricht schreibt, erhält daraufhin alle Transfergerüchte direkt in den Chat.

Zukunft: Prognosen und Aussichten

Chatbots sind ein klarer Trend in der Werbeindustrie. Die Möglichkeiten sind zum heutigen Stand nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft. Vor allem über Messenger-Dienste, die ohnehin schon Millionen von Nutzern haben, eröffnet sich eine neue interessante Zielgruppe. Klar ist: Mobile Devices dominieren den Onlinemarkt, denn die mobile Internetnutzung hat den stationären PC schon lange überholt.

Mit der Idee des Messenger-Bots holt man potenzielle Kunden genau da ab, wo sie sich tagtäglich befinden – am Tablet oder Smartphone im Facebook-Messenger oder bei WhatsApp. Diese Instant-Messaging-Dienste könnten in Zukunft als universelle Service-Apps dienen. Die schnelle Reaktionszeit und die Möglichkeit, in Echtzeit Lösungen und Antworten zu liefern, eröffnen neue Umsatzchancen für jedes Unternehmen.

War dieser Artikel hilfreich?
Page top