Was ist Sentiment-Analyse?
Für den Erfolg oder Misserfolg einer Marke sind nicht nur die direkten Verkaufszahlen entscheidend, die sich kurzfristig ändern können, sondern auch die Kundenmeinungen. Dabei geht es vor allem darum, wie potenzielle Kunden über die Marke sprechen – unabhängig davon, ob sie das Produkt bereits gekauft haben oder nicht.
Passt eine Marke in den Trend der Zeit? Wird die Marke von der gewünschten Zielgruppe positiv wahrgenommen? Oder eher negativ? Oder wird sie gar komplett ignoriert? Wie kommt die Marke bei Influencern an? Das sind wichtige Fragen, die ein Unternehmen über gezielte Beobachtung von Social-Media-Kanälen regelmäßig klären sollte.
Das französische Wort „Sentiment“ steht für Empfindung oder Gefühl. Eine Sentiment-Analyse soll also herausfinden, wie die Zielgruppe die eigene Marke wahrnimmt und beurteilt. Sentiment-Analysen werden auch von Börsenspezialisten durchgeführt, um anhand des Kaufverhaltens und der allgemeinen Stimmung von Aktieninvestoren den Kursverlauf von Aktien abschätzen zu können. In diesem Artikel soll es allerdings um die gezielte Analyse der Stimmung und Markenwahrnehmung in sozialen Medien, Produktrezensionen und Blogs gehen.
Wie funktioniert Sentiment-Analyse?
Sentiment-Analyse, auch als „Stimmungserkennung“ bezeichnet, basiert auf der automatisierten Auswertung von Benutzerkommentaren, durch die festgestellt werden soll, ob ein Text eher positiv oder eher negativ gemeint ist. Dazu bedient man sich Methoden des „Text Mining“ (siehe hierzu auch Data-Mining), also der automatischen Analyse von Texten, die in natürlicher Sprache geschrieben sind.
Und genau das führt schon zum ersten Problem: Natürliche Sprache besteht nicht aus Positiv- und Negativlisten. Einfache Analysemethoden suchen im Text nach Wörtern, die gemäß eines vorher erstellten, zum Thema passenden Wörterbuchs eine positive oder negative Bedeutung haben. Diese Methode mag einen sehr groben Überblick ermöglichen, ist aber kaum geeignet, die tatsächliche Stimmung zu erfassen. Nicht einmal die Häufigkeit von Wörtern, die im Zusammenhang mit der subjektiven Bewertung eines Produkts als positiv oder negativ gelten, ist aussagekräftig.
Zwei Kundenbewertungen als Beispiel: „Bin begeistert!“ und „Ganz gut, erfüllt so seinen Zweck.“. Der erste Satz enthält ein positives Wort, „begeistert“, der zweite Satz enthält zwei positive Wörter, „gut“ und „erfüllt“. Eine simple Auswertung nach Methoden der Statistik würde den zweiten Satz besser bewerten, ein Mensch würde diesen höchstens als mittelmäßig, wenn nicht gar als Negativbewertung einstufen. Für eine erfolgreiche Sentiment-Analyse muss man daher Werkzeuge der künstlichen Intelligenz heranziehen.
Hinzu kommt, dass Menschen besonders in sozialen Netzwerken ihre Meinung und Aussagen so formulieren, als würden sie mit einem Freund sprechen, und nicht immer nach den Regeln der deutschen Grammatik. Viele Sätze haben im Gesamtzusammenhang eine ganz andere Bedeutung als für sich genommen. Diese Nuancen zu erkennen, ist eine große Herausforderung für die Analysetools. Weiterhin ist insbesondere Jugendsprache von kurzfristigen Trends geprägt.
Ein Sentiment-Analyse-Werkzeug muss die Zielgruppe und das Umfeld des zu analysierenden Produkts deshalb genau kennen. Dabei helfen Methoden des Machine Learning , mit denen sich die Tools nach und nach trainieren lassen, was langfristig die Qualität der Ergebnisse verbessert.
Was ist der Zweck einer Sentiment-Analyse?
Die wichtigste Aufgabe einer Sentiment-Analyse ist es, ein allgemeines Stimmungsbild zu einem Produkt oder zu einer Marke innerhalb einer definierten Zielgruppe zu ermitteln. Dazu bietet es sich an, neben Produktrezensionen auf der eigenen Website oder in großen Onlineshops auch thematisch passende Postings bei Facebook, Twitter und anderen sozialen Netzwerken zu durchsuchen.
Sentiment-Analysen sollen die Emotionen hinter dem geschriebenen Text erkennen und außerdem erfassen, was der Autor des Texts tatsächlich gemeint hat.
Was sind die Vorteile von Sentiment-Analyse?
Mit professionellen Textanalysen lässt sich eine große Anzahl von Texten auswerten und ein Meinungsbild innerhalb der Zielgruppe erkennen. Mit geschickten Marketingstrategien kann man dann einer negativen Stimmung gezielt entgegenwirken.
Sentiment-Analyse ist aber kein Werkzeug, um einzelne Meinungstexte oder Produktbewertungen zu beantworten. In solchen Fällen sollte lieber ein Mensch eine persönliche Antwort schreiben. Allerdings kann man durch gut geplante Analysen bestimmter Social-Media-Plattformen zufriedene Kunden erkennen und ihnen passende Werbung oder Bonusaktionen senden.
Wann kommt Sentiment-Analyse zum Einsatz?
Besonders wichtig sind Sentiment-Analysen bei Werbekampagnen in sozialen Netzwerken, da dort die potenziellen Kunden unmittelbar auf Aussagen des Unternehmens reagieren und in manchen Fällen sogar untereinander kommunizieren – oft wesentlich ehrlicher, als sie es mit dem Unternehmen tun würden.
Sollte sich in den Kommentaren eine negative Stimmung abzeichnen oder ein falscher Eindruck von den beworbenen Produkten entstehen, können entsprechende Kampagnen kurzfristig angepasst und danach erneut ausgewertet werden. Auch nach einer neuen, möglicherweise verbesserten Auflage eines bekannten Produkts oder bei optischen Veränderungen der Marke sind Stimmungsanalysen hilfreich, um beurteilen zu können, wie sich die Neuausrichtung auf die Zufriedenheit der Kunden und möglicherweise auf das Verhalten von Neukunden auswirkt.
Maschinell ist es zwar relativ einfach möglich, große Textmengen zu durchforsten, allerdings ist es dabei wichtig, relevante von nicht relevanten Texten zu unterscheiden. Neben dem Herausfiltern von Spam geht es auch darum, Texte zu finden und von der Analyse auszuschließen, die nur indirekt mit dem eigenen Produkt zu tun haben.
Die relevanten Kommentare zur eigenen Marke sollte man nach weiteren Kriterien untergliedern oder ausfiltern – beispielsweise danach, ob es sich wirklich um Rezensionen zu einem Produkt handelt oder ob eine Kritik sich eher gegen den Kundenservice oder die Verpackung richtet und deshalb viele negative Begriffe enthält. Erkenntnisse zu diesen Bereichen sind zweifelslos auch interessant, verfälschen aber die Analyse, wenn sie zusammen mit den reinen Produktbeurteilungen ausgewertet werden.
Mit einer Stimmungsanalyse lässt sich auch der Erfolg von Marketingkampagnen messen, wenn beispielsweise Begriffe oder Phrasen aus der aktuellen Werbung zusammen mit positiven Worten gehäuft in Kommentaren auftauchen.
Beispiel einer einfachen Sentiment-Analyse
Das Natural Language API von Google ist eine Programmierschnittstelle, die u. a. einfache Sentiment-Analyse-Methoden beherrscht und in eigene Programme eingebunden werden kann. Google ermöglicht jedem, nicht nur Software-Entwicklern, das Testen dieses API. Man braucht nur einen Text in das Eingabefeld des API zu kopieren und erhält verschiedene Optionen für Textanalysen, darunter auch die Auswahl „Sentiment“.
Jeder Satz wird einzeln ausgewertet und erhält eine Bewertung zwischen -1 und +1, wobei -1 für sehr negativ steht und +1 für optimal. Aus den Bewertungen der einzelnen Sätze ergibt sich nach einer vorgegebenen Staffelung der Wertigkeiten ein Gesamtergebnis für den Text.
Im nachfolgenden Beispiel verwenden wir die fiktive Rezension zu einem Wasserkocher. Das Ergebnis zeigt, wo die Schwächen einer automatischen Textanalyse liegen. So enthält der Satz der am schlechtesten bewertet wurde, den negativen Ausdruck. „keine Ahnung“. Liest man den Text jedoch im Gesamtkontext, wird klar, dass der Nutzer an dieser Stelle eigentlich lobt. Umgekehrt erhält der nächste Satz ein gutes Ergebnis, ist aber eigentlich negativ gemeint.
Da solche Formulierungen sowie Ironie in Bewertungen aber eher die Ausnahme sind, eignet sich jedoch selbst eine einfache Sentiment-Analyse dazu, bei großen Textmengen zumindest ein allgemeines Stimmungsbild zu erhalten.
Welche Tools für Sentiment-Analysen gibt es?
Neben dem bereits erwähnten Natural Language API von Google gibt es weitere professionelle Analysewerkzeuge, die große Textmengen auswerten können. Bei der Auswahl ist darauf zu achten, dass das Tool die deutsche Sprache beherrscht und von Muttersprachlern entwickelte Wörterlisten und Datenbanken mit typischen Formulierungen in semantischen Zusammenhängen enthält. Jede Sprache hat, besonders bei Berücksichtigung von Umgangssprache, ihre eigenen Feinheiten, die ein automatischer Übersetzer nicht abbilden kann, ohne die Stimmung eines Texts zu verfälschen.
Hootsuite Insights wertet automatisch alle wichtigen Social-Media-Kanäle, Nachrichtenportale, bekannten Blogs und Foren aus, um die allgemeine Stimmung der Internetnutzer gegenüber einer Produktmarke zu ermitteln. Die zur Analyse herangezogenen Kommentare lassen sich nach verschiedenen Schlüsselwörtern und typischen Personengruppen filtern.
Quick Search ist eine Suchmaschine, die in sozialen Netzwerken, Blogs und Foren nach bestimmten Schlüsselwörtern, z. B. Markenbezeichnungen, sucht und mehrere Konkurrenzmarken miteinander vergleicht.
Clickworker geht einen anderen Weg. Hier arbeitet ein großes Netzwerk aus Nutzern über Micro-Jobs an den Texten. So erhält man über gezielte einfache Fragen ein Stimmungsbild statt über eine automatische Textanalyse.