Versicherungspflichtgrenze: Das steckt dahinter

Wer abhängig beschäftigt ist, zahlt zumeist auch Beiträge an die gesetzliche Sozialversicherung. Diese Pflichtbeiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung bilden neben der Lohnsteuer einen Großteil der Abzüge vom Lohn oder Gehalt und dienen der sozialen Absicherung – sei es im Alter, bei Arbeitslosigkeit oder eben auch bei einer Krankheit. Während es für die Beiträge zu den gesetzlichen Versicherungen für Renten und gegen Arbeitslosigkeit keine Alternativen gibt, ist es oberhalb einer bestimmten Verdienstgrenze möglich, von einer gesetzlichen in eine private Krankenversicherung zu wechseln. Diese Grenze bezeichnet man als Versicherungspflichtgrenze.

Was ist die Versicherungspflichtgrenze?

Die Versicherungspflichtgrenze, die offiziell Jahresarbeitsentgeltgrenze heißt, ist der Bruttobetrag des Jahresverdienstes, bis zu dem ein Arbeitnehmer als Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sein muss. Oberhalb dieser Grenze steht es dem Versicherten frei, in eine private Krankenversicherung zu wechseln. Die Versicherungspflichtgrenze spielt in Deutschland eine wichtige Rolle im Gefüge der Beiträge und Leistungen der Sozialversicherung.

Definition

Die Versicherungspflichtgrenze (auch Jahresarbeitsentgeltgrenze) ist eine in Deutschland geltende Verdienstgrenze für die Pflicht zur Versicherung in einer gesetzlichen Krankenversicherung. Sie stellt die Obergrenze des jährlichen Bruttoentgelts dar, bis zu der ein Arbeitnehmer und sein Arbeitgeber automatisch je zur Hälfte Beiträge für eine solche Versicherung zahlen. Liegt der Bruttoverdienst über der Versicherungspflichtgrenze, ist ein Wechsel in eine private Krankenversicherung möglich.

In der Vergangenheit war die Versicherungspflichtgrenze identisch mit der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung, die deren maximale Beitragshöhe bestimmt. Anfang 2003 wurden die zwei Werte jedoch durch das Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) entkoppelt. Zugleich stieg die Versicherungspflichtgrenze deutlich an (um über 13 Prozent), sodass sich der Kreis der versicherungspflichtigen Personen erweiterte.

Hinweis

Wer in eine private Krankenversicherung wechselt, ist automatisch auch dazu verpflichtet, sein Pflegerisiko bei einem privatwirtschaftlichen Unternehmen abzusichern. Die Versicherungspflichtgrenze gilt entsprechend auch für die gesetzliche Pflegeversicherung.

Was hat es mit der besonderen Versicherungspflichtgrenze auf sich?

Für Arbeitnehmer, die am 1. Januar 2002 bereits privat krankenversichert waren, gilt weiterhin die alte Versicherungspflichtgrenze (§ 1 Nr. 1c BSSichG). Ansonsten wären privat Versicherte mit einem Einkommen unter der neuen Grenze plötzlich in die gesetzliche Krankenversicherung gezwungen worden. Damit gibt es eigentlich zwei verschiedene Versicherungspflichtgrenzen: eine ältere, „besondere“ als Bestandsschutz und eine neuere, „allgemeine“.

Wozu dient die Versicherungspflichtgrenze?

Die Versicherungspflichtgrenze fungiert als Trennlinie zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. In dieser Funktion sorgt sie für einen gewissen Interessenausgleich zwischen gesetzlichen und privaten Versicherungen sowie deren Versicherten.

Die gesetzliche Krankenversicherung fußt im Wesentlichen auf dem Solidaritätsprinzip: Alle Versicherten haben unabhängig von ihren Beitragssätzen und individuellen Risikofaktoren wie Alter oder Vorerkrankungen die gleichen Leistungsansprüche. Der Anteil der Arbeitnehmer, die gesetzlich krankenversichert sind, beträgt beinahe 90 Prozent.

Private Krankenversicherungen arbeiten hingegen nach dem Risikoprinzip. Sie verlangen Tarife, die sich am Versicherungsrisiko des jeweiligen Mitglieds orientieren. Dazu zählen das Alter oder der Gesundheitszustand bei Versicherungsbeginn, während das Einkommen des Versicherten keine Rolle spielt. Private Versicherungen sind in der Lage, Versicherten mit geringerem Risiko (jung, gesund) deutlich günstigere Tarife und mehr Versicherungsleistungen anzubieten, als es die gesetzlichen Versicherungen können.

Einige Personengruppen können sich unabhängig von der Versicherungspflichtgrenze privat versichern. Hierzu zählen u. a. viele Freiberufler und andere Selbständige. Auf der anderen Seite gibt es auch bestimmte Personengruppen, die sich auf Antrag von der Pflicht zur Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse befreien lassen können, wenn sie bereits privat versichert sind. Das ist etwa bei Arbeitnehmern der Fall, bei denen die Versicherungspflichtgrenze durch einen Anstieg das Einkommen einholt. Wer Arbeitslosengeld oder Unterhalt bezieht, kann sich von der Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse befreien lassen, wenn er oder sie bereits fünf Jahre privat versichert ist. Auch bei der Reduktion der Arbeitszeit ist in manchen Fällen eine solche Befreiung möglich (§ 8 SGB V).

Warum ändert sich die Versicherungspflichtgrenze jährlich?

Aufgrund ihrer Funktion ist die Versicherungspflichtgrenze an die allgemeine Entwicklung der Löhne und Gehälter geknüpft. Da sich der durchschnittliche Verdienst in Deutschland im Lauf der Zeit ändert, bedarf es auch bei der Jahresarbeitsentgeltgrenze regelmäßiger Anpassungen, um das bestehende Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufrechtzuerhalten.

Dies ist im Sozialgesetzbuch V geregelt. Danach ändert sich die Versicherungspflichtgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung „zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (…) im vergangenen Kalenderjahr zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen“. Dabei werden die veränderten Beträge für das Kalenderjahr, für das die Grenze bestimmt wird, noch auf das nächsthöhere Vielfache von 450 aufgerundet (§ 6 Abs. 6 SGB V). Zuständig für die jährliche Anpassung ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Es legt jährlich die Grenze für das kommende Kalenderjahr jeweils in einer Rechtsverordnung fest.

Hinweis

Den jeweils künftig geltenden Wert für die Versicherungspflichtgrenze gibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich in der „Verordnung über maßgebende Rechengrößen in der Sozialversicherung“ bekannt. Dieser Verordnung muss immer auch der Bundesrat zustimmen.

Wie wird das zugrundeliegende Jahresarbeitsentgelt berechnet?

Die Versicherungspflichtgrenze für eine gesetzliche Krankenversicherung gilt für das Jahreseinkommen einer Person, die für diese Versicherung in Frage kommt. Dazu wird allerdings nur das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt herangezogen. Dieses umfasst den gesamten, tatsächlich laufend gezahlten Bruttoverdienst eines Arbeitnehmers sowie einmalige und besondere Bezüge (z. B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld – § 14 SGB 4); auch Sachbezüge sind dabei. Sporadische Vergütungen (z. B. für Überstunden) oder Kostenzuschüsse werden dagegen nicht berücksichtigt.

Übt ein Arbeitnehmer mehrere Beschäftigungen nebeneinander aus, dann gilt die Summe der Verdienste aus allen Beschäftigungen als Jahresarbeitsentgelt. Eine Ausnahme stellt der erste ausgeübte Minijob (bis 450 Euro) dar – er fließt nicht in die Bewertung ein.

Hinweis

Ist lediglich ein monatliches Entgelt vereinbart, dann wird dieser Verdienst mit zwölf multipliziert, um das Jahresarbeitsentgelt zu berechnen. Aus einem gegebenen Stundenlohn wird das monatliche Entgelt ermittelt, indem dieser Stundenlohn mit der individuellen wöchentlichen Arbeitszeit und 13 (Wochen) multipliziert und anschließend durch 3 (Monate) geteilt wird.

Die Freiheit von der gesetzlichen Krankenversicherung, die aus der Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze resultiert, tritt mit Ablauf des Jahres ein, in dem das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt auf das Jahr gerechnet die Grenze übertrifft. Auch im folgenden Jahr muss die Verdienstgrenze überschritten werden. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass ein Gehalt oberhalb der Grenze im gesamten laufenden Kalenderjahr auch tatsächlich erzielt wurde. Das betrifft z. B. Fälle, in denen das Gehalt des Versicherten während des Jahres angehoben wird. Ein Beispiel für den Jahreswechsel von 2018 zu 2019 (zur Vereinfachung ohne Einmalzahlungen) soll dies verdeutlichen:

Ein Arbeitnehmer erhält vom Januar bis zum November ein Bruttogehalt von 4.900 Euro. Das ergibt ein regelmäßiges Jahresentgelt von 58.800 Euro. Infolge einer Gehaltserhöhung bekommt er ab Dezember 2018 ein Gehalt von 5.500 Euro. Das Entgelt für 2019 beträgt damit 66.000 Euro. Dieser Wert liegt über der Versicherungspflichtgrenze für 2018 und 2019, damit ist der Arbeitnehmer ab 1. Januar 2019 von der Pflicht zur Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse befreit. Für das Jahr 2018 reicht es, dass der Monatsverdienst vom Dezember aufs Jahr gerechnet die Grenze überschreitet, obwohl das Jahresentgelt in diesem Jahr mit 59.400 gerade bis zur Versicherungspflichtgrenze für das Jahr reicht.

Die jüngsten Entwicklungen der Versicherungspflichtgrenze

Parallel zu den steigenden Löhnen und Gehältern wurde die Höhe der Versicherungspflichtgrenze in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter nach oben geschraubt. Seit Entkopplung von der Beitragsbemessungsgrenze im Jahr 2003 kam es nur ein einziges Mal zu einer Senkung der Grenze (2011 um rund ein Prozent). Seit 2012 betrug die jährliche Erhöhung nicht unter 1.350 Euro (zwischen 2,4 und 3,125 Prozent), was sich auch laut der neuen Verordnung für 2019 nicht geändert hat. So stieg die allgemeine Versicherungspflichtgrenze von 59.400 Euro für 2018 für das Jahr 2019 auf 60.750 Euro. 2017 lag der Wert noch bei 57.600 Euro. Die entsprechenden besonderen Versicherungspflichtgrenzen, die für bereits vor 2003 privat Versicherte gelten, liegen merklich darunter.

Hier sind die Versicherungspflichtgrenzen 2017, 2018 und 2019 in ihrer Höhe aufgelistet:

  Allgemeine Versicherungspflichtgrenze Besondere Versicherungspflichtgrenze
2017 57.600 Euro 52.200 Euro
2018 59.400 Euro 53.100 Euro
2019 60.750 Euro 54.450 Euro

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